Die Dramatisierungsfalle. Die Dichte der Ultimaten und der Es-ist-jetzt-fünf-vor-zwölf-für-Griechenland-Aussagen war zuletzt nicht mehr auszuhalten. Jeden Abend in den Nachrichten stellte sich irgendjemand vor die Kamera und betonte, dass es nun für Griechenland aber eng würde. Irgendwann glaubte es dann niemand mehr. Genau als das eingetreten war, war es wirklich soweit, dass Griechenland am Ende war. Aber jetzt ist es schon wieder fünf-vor-zwölf. Also geht es wohl so weiter.
Die Rhetorikfalle. Die Schwarz-Weiß-Malerei der Politikerreden und Kommentare hat auch hohen Unterhaltungswert. Da wird gegen „die Griechen“ gepöbelt, dass einem die Spucke weg bleibt. Vornehmlich meine bayerischen Landsleute scheinen hierfür irgendwie prädestiniert, denn sie sitzen in jeder Günther-Jauch-Sendung wieder und spielen ihre Rolle gut: Den Griechen muss einfach mal gesagt werden, wo der Hase langläuft. Jetzt appellieren alle, dass verbal abgerüstet werden müsste. Aber wer soll damit anfangen, wo es doch so einen Spaß macht?
Die Demokratiefalle. Die europäische Idee wird zwar kräftig beschworen, aber die Bürgerinnen und Bürger werden in keinster Weise beteiligt oder ernst genommen. Das Referendum in Griechenland hat sich als Farce erwiesen. Nach dem kurzen Aufstand folgt jetzt die Demütigung durch die eigene Regierung. Und alle wissen: Das wäre bei uns nicht anders. Wenn es um so viel Geld geht, werden wir nicht mehr gefragt. Dann entscheiden andere. Noch sind es die Banken. Bald werden es große Firmen sein. Wenn wir Bürger nicht bald auf die Barrikaden gehen und unsere Selbstbestimmung zurück erkämpfen.
Die Finanzfalle. Dieses ganz Gerede von Milliarden, die Griechenland braucht, die angeblich „ in das Land gepumpt werden“, ist völlig undurchsichtig. Die Geldgeber wechseln sich ab, verhandeln teilweise mit verschiedenen Mandaten und spielen sich gegenseitig aus. Und letztlich bekommen nicht die Menschen irgendein Geld, sondern nur Banken, damit diese wieder den Menschen ihr Geld zurückgeben können. In einigen Beiträgen – den wenigen differenzierten eben – wurde gezeigt, dass die Griechen alles andere als faul sind und eigentlich auch gutes Geld erwirtschaften. Aber wird es ihnen irgendetwas helfen? Vielleicht. Wenn ja, dann nur so.
Die Trostfalle. Die Prognosen sind erschütternd. Kann ein Land mit so hohen Schulden jemals wieder auf die Beine kommen? Also aussichtslos, oder? Ich gehe jede Wette ein, dass es doch irgendwie anders kommt und Griechenland wieder zur Ruhe und auch zu Wohlstand kommt. Denn niemand hat Interesse daran, dieses Land vor die Hunde gehen zu lassen. Am wenigsten die Menschen, die dort leben. Sie werden das Ruder herumreißen. Und die Gläubiger werden irgendwann einen Teil der Schulden abschreiben. Anders kann es nämlich gar nicht funktionieren.
Die Realitätsfalle. Das Ganze ist auch ein riesiges Theater, auf dessen Bühne sich vermeintliche Global Player aufführen wie kleine Kinder. Nämlich für ihren Vorteil kämpfen, nicht in der Lage, sich in die Position des Anderen zu versetzen und ihre eigene Rolle zu hinterfragen. Und dann loszupoltern und immer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Und man darf gespannt sein, welches Land oder welches Thema sie sich als nächstes heraussuchen, um uns allabendlich zu unterhalten.
Die Ausstiegsfalle. Nein, nicht der Grexit, sondern der persönliche Ausstieg aus diesem Theater ist gemeint. Wenn man Menschen beobachtet, die einfach nur ihr Leben leben, sich dabei anstrengen aber auch genießen können, die andere unterstützen und sich von Freunden helfen lassen, dann fragt man sich schon, ob dieses politische Theater noch ernst zu nehmen ist. Die Wirklichkeit spielt sich doch eigentlich ganz woanders ab. Aber auch das wäre eine unvernünftige Überheblichkeit. Denn das politische Geschehen hat eben doch sehr konkrete Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen. Und umgekehrt unser Verhalten auf das System. Nein, aussteigen gilt nicht! Gott vertrauen, dass er diese Pole des immer verrückteren Lebens zusammenhält und mit Vernunft und Humor in der Balance bleiben – und den Fallen aus dem Weg gehen. Das wäre es!
Georg Rieger, 15. Juli 2015