Es ist eigentlich ganz einfach

Einspruch! - Mittwochs-Kolumne von Georg Rieger

Foto: G. Rieger

Rassismus fängt da an, wo Menschen nicht mehr als Individuen beurteilt werden, sondern mit „ihresgleichen“ in einen Topf geworfen werden.

Das geschieht im Moment in Foren und sozialen Medien und in ganz realen Diskussionen ständig: Die Flüchtlinge … heißt es … sind so oder so, machen diese und jene Probleme, könnten doch, sollten doch. Manchmal wird noch eingeräumt, es gäbe ja auch anständige. Das ist aber auch schon der Höhepunkt der Differenzierung.

Der Soziologe Albert Memmi, selbst Sohn jüdisch-arabischer Eltern und in Tunesien aufgewachsen, hat eine bis heute anerkannte Definition von Rassismus gegeben:

«Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.» (Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt a.M. 1987, S.164)

Die Verallgemeinerung ist eine Methode, mit der wir Menschen es uns einfacher machen wollen. Es zählt auch zu den kulturellen Leistungen des Menschen, nicht jedes Problem einzeln betrachten zu müssen, sondern zusammenzufassen und „allgemein“ zu behandeln. Doch die Chance, die darin steckt, ist auch eine Gefahr. In Beziehungskrisen reicht das Wort „immer“, um aus einem einfachen Problem ein großes zu machen. Wie leicht fühlen wir uns zu Unrecht angegriffen, wenn uns nur vorgehalten wird, wir ließen „immer“ das Geschirr stehen oder die Dreckwäsche liegen.

Männer aus Nordafrika und Arabien müssen sich nun aber alle dem Verdacht aussetzen, Frauen zu begrapschen und zu vergewaltigen. So sind die Männer aus den islamischen Ländern.

Nein, das ist kein Apell, die Augen zu verschließen. Wenn hunderttausende junge Männer kommen, die ihre Familien zurückgelassen haben (und die Chancen auf Nachzug stehen schlecht) und die aus Ländern gefflüchtet sind, in denen tatsächlich ein anderes Frauenbild vorherrscht als hier, dann ergibt sich daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Problem. Maßnahmen gäbe es viele, die aber jetzt nicht das Thema sein sollen.

Jetzt geht es vielmehr darum, wie unschuldige, einsichtige, vernünftige Menschen davor bewahrt werden können, zu Unrecht beschuldigt oder unter Generalverdacht gestellt zu werden. Denn das müsste eigentlich jeder vernünftig denkende Mensch einsehen, dass ein braver Syrer, der um sein Leben froh ist hier zu sein, nicht abgewiesen werden will, weil irgendwelche Idioten ihre Triebe nicht im Griff haben.

Eigentlich ganz einfach: Alle sind nach dem zu beurteilen und auch zu verurteilen, was sie nachweislich getan haben. Ein solches Eingreifen der staatlichen Exekutive zum Schutz von Schwachen hat ohne Ansehen der Person zu erfolgen. Umgekehrt gilt auch, dass jeder Flüchtling, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, auch nicht für die Taten Anderer büßen oder sich rechtfertigen muss.

Das Benennen von Unrecht und die Verurteilung von Tätern sind entschieden vom Vorwurf des Rassismus freizusprechen. Ein solches Vorgehen ist sogar ganz im Gegenteil wichtig für das Gleichgewicht und das Sicherheitsbedürfnis einer Gesellschaft.

Das Vorverurteilen von Unschuldigen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Herkunft oder ihres Aussehens dagegen ist Rassismus. Gegen diesen hilft – zumindest einem Gutwilligen – sich in die Lage des Gegenüber zu versetzen, sich einzufühlen und zu überlegen.

Wie gesagt: Das ist eigentlich ganz einfach. Vollständig wird uns eine solche Objektivität und Individualität wahrscheinlich nie gelingen. Aber wenn uns unsere Werte wirklich etwas wert sind, dann kämpfen wir (auch mit uns selbst) darum.

 

Mitteilung:

von Paul Kluge, 20. Januar 2016

Danke für den Kommentar. Eigentlich selbstverständlich und ganz einfach - warum nur tun sich viele so schwer damit?