Vor genau 25 Jahren wurde auf dem Altar der Westminster Abbey die Erklärung von Meißen feierlich unterzeichnet. In dieser theologischen Erklärung stellen die anglikanische Kirche von England, der damalige Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und die Evangelische Kirche in Deutschland fest, dass zwischen ihnen weitgehend -aber nicht ganz!- volle Kirchengemeinschaft besteht. Jahrelange theologische Verhandlungen hatten den Weg dafür bereitet, zwischen Kirchen, die sich auf ein gemeinsames reformatorisches Erbe berufen[1] und sich niemals gegenseitig verdammt haben[2], volle Kirchengemeinschaft zu erklären. Im letzten Moment sahen sich die Engländer nicht in der Lage, diesen Schritt zu tun. So heißt es in der Meissener Erklärung nicht „Wir erklären volle Kirchengemeinschaft“, sondern lediglich: „Wir… verpflichten uns, […] gemeinsam nach der vollen, sichtbaren Einheit zu streben.“[3]
Seit 25 Jahren mühen sich deutsche und englische Theologen, herauszufinden, was die Kirche von England eigentlich daran hindert, volle Kirchengemeinschaft mit den Protestanten des Kontinents zu erklären, während die reformierten Schotten natürlich längst die Leuenberger Konkordie unterschrieben haben und zur europäischen Kirchenfamilie der Gemeinschaft Europäischer Kirchen in Europa (GEKE) gehören.
Theologische Gründe sind es nicht, sagen die deutschen Theologen, aber verstehen Deutsche und Engländer überhaupt dasselbe unter Theologie? Liegt es an der bischöflichen Ordnung, an der historischen Sukzession im Bischofsamt oder an der liturgischen Tradition? Vermutlich liegt es schlicht an jenem gewissen etwas, das Engländer eben von allen anderen unterscheidet. Das macht sie eben ungeeignet für so etwas wie die Europäische Gemeinschaft oder die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), aber es macht sie zugleich auch so interessant und liebenswert.
Diese kirchliche „Beinah-Gemeinschaft“ auf der Grundlage der Meissener Erklärung war und ist seit 25 Jahren für beide Seiten eine große Bereicherung. Sie könnte für die Zeit nach dem Brexit als ein gutes Modell für die Neugestaltung der Beziehung zwischen England und dem europäischen Festland dienen.