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Auf Gewaltenteilung kommt es an
Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim
Für reformierte Ohren hat der Begriff „Königsherrschaft Christi“ einen guten und vertrauten Klang. Seit Zwinglis und Calvins Zeiten gehört die Lehre von der „Königherrschaft Christi“ zum Kernbestand reformierter Theologie. Eine Neigung zur Theokratie wird deswegen den Reformierten nachgesagt. Und dass Christus wiederkommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten, bekennen Reformierte gemeinsam mit allen Christen, so dass Christus zugleich Herrscher und Richter ist.
Dem biblischen Denken und auch der reformierten Lehre ist der Gedanke der Gewaltenteilung also fremd, auch wenn man zur Ehrenrettung Calvins sagen muss, dass er in seiner Institutio „Volksbehörden“ lobend erwähnt, die eingesetzt werden, „ um die Willkür der Könige zu mäßigen“ (Institutio IV,20,31).
Die Erkenntnis, dass ohne Trennung der Gewalten Freiheit und Recht bedroht sind, stammt vom französischen Baron de Montesquieu, der das Prinzip der Gewaltenteilung in seiner 1748 erschienenen Schrift „Vom Geist der Gesetze“ entfaltet hat. Ihm ging es hauptsächlich um die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, um die klare Trennung der Judikative von Exekutive und Legislative. Die Verfassung eines Staates muss garantieren, dass Gerichte nicht von der Regierung in der Ausübung der Rechtsprechung beeinflusst werden. Davon hängt es ab, ob Bürger zu ihrem Recht kommen und vor der Willkür der Obrigkeit geschützt sind.
Der Aufklärer Montesquieu, der mit einer Hugenottin verheiratet war, und zeitlebens für Toleranz und Glaubensfreiheit eintrat, schrieb: „Eine Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu neigt, sie zu missbrauchen. Deshalb ist es nötig, dass die Macht der Macht Grenzen setzt. Es gibt in jedem Staat dreierlei Vollmacht: die gesetzgebende Gewalt, die vollziehende und die richterliche. Es gibt keine Freiheit, wenn diese nicht voneinander getrennt sind.“
Es wird dieser Tage erkennbar, dass weltweit Rechtsstaatlichkeit und freiheitliche Demokratie bedroht sind. Man denkt an den gescheiterten arabischen Frühling aber auch an Russland, an die Türkei, an Ungarn oder Polen. Paradoxerweise scheint sich die Demokratie selbst abzuschaffen, denn Putin, Erdogan, Orban oder Beata Szydło werden von der überwältigenden Mehrheit ihres Volkes unterstützt. Wie eine Demokratie sich selbst abschafft, hat Deutschland in den 1930er Jahren erlebt. Als damals das „Führerprinzip“ die Gewaltenteilung ersetzte, war es mit dem Rechtstaat zu Ende.
Ein Hoffnungszeichen ist in diesem Kontext das Rechtstaatlichkeitsverfahren, das die EU-Kommission gegen Polen eingeleitet hat. Allein schon aus diesem Grund verdient es die EU, dass wir sie fördern und stärken. Kein Wunder, dass die Rechtspopulisten aller Länder gegen die EU zum Sturm blasen, die darüber wacht, dass „Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte“ geachtet werden.
Paul Oppenheim, Hannover, 10. August 2016
Mitteilung:
Lieber Herr Oppenheim,
danke für Ihren Artikel.Ein kleiner kritischer Einwand: innerhalb der christlichen Gemeinde gibt es nach reformierter Tradition durchaus eine Gewaltenteilung. Es gibt verschiedene gleichberechtigte Ämter: Pastoren Lehrer Diakone Älteste. Das kann durchaus praktische Auswirkungen haben, wenn ich an die Pastorenzentriertheit der lutherischen Kirche denke, ein für den Gemeindeaufbau hinderliches Moment.
FG
Bruno Schmidt-Späing