Ein Riss durch die Gesellschaft

Einspruch! - Kolumne von Georg Rieger


Foto: Rieger

Das Bild wird in diesen Monaten häufig bemüht: Die Gesellschaft, heißt es, sei gespalten, zerrissen, zerbrochen.

Hierzulande wird das an Pegida und AfD festgemacht und den Befürwortern der Willkommenskultur und deren Gegnern. In den sozialen Medien und deren Kommentarspalten bekriegen sich zwei Lager. Da wird die Spaltung spürbar – verbal handgreiflich sozusagen.

Im analogen Leben deutlich weniger aggressiv, doch auch da: Es scheint nur ein Für oder Wider zu geben und die Meinungen stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Ist das ein Grund, an unserer Gesellschaft zu verzweifeln?  

Was da momentan und speziell über die neuen Medien zutage tritt, ist nichts wirklich Neues. Unsere Gesellschaft kommt uns in anderen Phasen homogener, friedlicher vor. Doch in Wirklichkeit leben wir immer an einem großen Teil der Menschen – auch in unserem Land, in unserer Stadt, in unserer Region – vorbei. Wir leben in unseren Kreisen und sind anderen Gruppen total entfremdet.

Die Spaltung in viele kleine Milieus ist aber normalerweise eingespielt und akzeptiert. Berührungspunkte werden vermieden, alle Seiten gehen Konflikten aus dem Weg. An einem einfachen Beispiel möchte ich das deutlich machen. Wenn ich an einem sommerlichen Sonntag Morgen durch den Park radle, liegt die ganze Rasenfläche voller Müll. Immer wieder wundere ich mich, wie Menschen es fertig bringen, sich so rücksichtslos zu verhalten. Gleichzeitig komme ich mir wie ein Spießer vor und sage meistens nichts, wenn ich jemand bei einem solchen Verhalten beobachte. Dank der Stadtverwaltung funktioniert das Arrangement: Wir lassen uns gegenseitig in Ruhe. Das ist besser als ständig zu streiten.

Diese Ruhe ist durch die Flüchtlinge gestört worden. Ihnen dafür die Schuld zu geben, ist natürlich unsinnig. Aber auch darin bin ich mir nur mit einer bestimmten Gruppe meines Umfelds einig. Andere sehen das anders.

Trotzdem: Die Grenzen zwischen den Gruppen und Milieus sind durchlässig. Argumente sind sinnvoll, Einsicht gibt es überall und positive Entwicklungen sind möglich. Hass und Menschenverachtung gilt es zwar zu widerstehen, aber Menschenfreundlichkeit muss sich umgekehrt auch mit den Konsequenzen auseinandersetzen und sich die Mühe z.B. mit der Integration machen.