Es rückt gefährlich nah

Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim


Vor einem Jahr schrieb ich an dieser Stelle eine Kolumne unter der Überschrift „Korea ist weit weg, aber…“. Heute muss dieser Satz ergänzt werden: „es rückt gefährlich nah“. Im Zeitraum eines Jahres hat sich die Situation bedrohlich zugespitzt.

Die diesjährigen gemeinsamen Militärübungen der USA und Südkoreas unmittelbar an der Grenze und vor der Küste Nordkoreas waren der größte Militäreinsatz auf der koreanischen Halbinsel seit dem Ende des Koreakrieges. In diesem Jahr wurde trotz heftiger Proteste Chinas mit der Aufstellung des amerikanischen Raketenabwehrsystems THADD in Südkorea begonnen. Zuletzt hat der amerikanische Präsident Donald Trump dem nukleargetriebenen Flugzeugträger USS Carl Vinson den Befehl erteilt, die koreanische Halbinsel anzusteuern.

Die militärischen Aktionen der Amerikaner und Südkoreaner werden damit begründet, dass Nordkorea, die Entwicklung von Atomwaffen und Langstreckenraketen nicht aufgeben wolle, und sie werden regelmäßig mit erneuten Raketentests und gelegentlich auch mit unterirdischen Kernwaffentests beantwortet. Seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten ist ein bewaffneter Konflikt auf der koreanischen Halbinsel wahrscheinlicher geworden. Es ist ein Szenario, bei dem sich die beiden Seiten gegenseitig hochschaukeln. Die weitere Eskalation kann nur im blutigen Krieg enden, wenn niemand den Mut hat, die Logik der gegenseitigen Provokationen zu durchbrechen und den nächsten Stellvertreterkrieg zu verhindern.

Eine Delegation der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen hat im September 2016 Nordkorea besucht und sich jetzt an den amerikanischen Außenminister und an die Vereinten Nationen mit ihrem Appell gewandt, „alle provokativen Militärübungen zu beenden und eine Dialogplattform einzurichten, um einen dauerhaften Frieden in Nordostasien zu erreichen.“

Nicht Sanktionen, Strafen und Drohgebärden werden die Situation entschärfen, sondern nur das Gespräch auf Augenhöhe, bei dem sich Nordkorea als Gesprächspartner der USA ernst genommen fühlt. So hat der Nationale Rat der Kirchen Südkoreas in dieser Woche die Regierung der USA eindringlich gebeten, direkte Gespräche mit Nordkorea aufzunehmen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden. Eine Delegation der südkoreanischen Kirchen will Ende Juni nach Deutschland kommen, um für seine Initiative zugunsten eines Friedensvertrages zu werben. Korea ist nicht weit weg. Korea ist die Lunte am Pulverfass.

Wie jedes Jahr haben sich Kirchenvertreter Südkoreas mit Christen aus Nordkorea getroffen, um gemeinsam ein Ostergebet für den Frieden zu formulieren, dem wir uns anschließen können.[1] Darin heißt es:

Gott des Lebens!
Hilf uns, in dieser Jahreszeit der Auferstehung, 
in der wir die Zeichen des Frühlings erwarten, 
alles zu sehen, was die Hoffnung auf ein neues Leben enthält, 
sprossend im kalten, unfruchtbaren Land.

[1] https://ems-online.org/aktuelles/2017/10-04-2017-frieden-fuer-korea-gemeinsames-ostergebet-aus-nord-und-sued/


Paul Oppenheim, Hannover, 12. April 2017