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Kirche in der Krise?
Einspruch! - Kolumne von Georg Rieger
Vom „großen Geschäft“ (F.A.Z. vom 29.8.2016) zur „Pleite des Jahres“ (F.A.Z. vom 11.7.2017) – das Reformationsjubiläum schreibt nicht die schwarzen Zahlen, die erwartet wurden. Die Beteiligung an Großveranstaltungen bleibt weit unter den Prognosen, Wittenberg wartet immer noch auf den großen Ansturm und das „gefühlte“ öffentliche Interesse bleibt auch aus.
Dass viele kirchlichen, öffentlichen und privaten Investitionen sich am Ende nicht gelohnt haben können, ist das eine. Die überhöhten Erwartungen werden nun aber auch als größenwahnsinnig bezeichnet. Nimmt sich die Kirche zu wichtig? Ist durch das Jubiläum gar eine „dramatische Krise ungewollt sichtbar geworden“, wie der ehemalige Thomaskirchenpfarrer Christian Wolff mutmaßt?
Es ist klar eine Erkenntnis, dass die Planung der Kampagne die Bodenhaftung verloren hatte. So läuft das Geschäft halt – bei Kirchens nicht anders als anderswo: Die Zahlen waren sicher nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber viel zu optimistisch. Einiges vielleicht an den Bedürfnissen oder Interessen der Menschen vorbeigeplant. Das ist schade und eine Lehre und auch ein Grund innezuhalten und demütig zu werden.
Ebenso klar ist, dass die brisanten Themen fehlen. Luther steht schon immer im Rampenlicht. Über ihn gab es nichts wirklich Neues zu entdecken. Was er angeprangert hat (Ablasshandel), gibt es heute nicht mehr. Was ihn bewegt hat (Gnade finden vor Gott), muss heute in ganz andere Kategorien übersetzt werden. Die landeskirchliche und bischöfliche Struktur, die er gewissermaßen hinterlassen hat, ist auch nicht gerade mehr das organisatorische Modell der Zukunft.
Auch wenn ich Christian Wolffs Analyse treffend finde, möchte ich zu bedenken geben: Dass die Kirche in einer dramatischen Krise steckt, stimmt eben genau nicht. Nüchtern betrachtet läuft es vielmehr ganz gut. Dass die Zahlen rückläufig sind, lässt sich unaufgeregt begründen. Die Kirchen sind so wenig voll, wie sie das in den letzten Jahrhunderten immer mal wieder nicht waren. Und wer wünscht sich schon wirklich die Zeiten zurück, in denen sie es waren – zum Beispiel vor und während des 1. Weltkriegs?
Die Maßstäbe für das Wohl und Wehe „der Kirche“ sind andere. Das Engagement für Flüchtlinge ist zwar ein abgegriffenes aber trotzdem treffendes Beispiel. Solange die Gemeinden in Krisen aktiv werden, so lange dort Liebe und Gnade und Freiheit gepredigt und gelebt wird, ist die Rede von einer Krise jedenfalls nur teilweise angebracht. Die Zahlen müssen stimmen. Aber in erster Linie muss stimmen, was die Herzen der Menschen bewegt. Und da sehe ich die Kirchen (nicht nur die der EKD) auf einem guten Weg. Nach oben ist noch viel Platz, das ist auch klar. Vielleicht braucht es nach 2017 ein bisschen Demut. Aber bitte keine Traurigkeit!
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