Kommt nicht in die Tüte

Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim


Foto: CC BY-SA 2.0 / GorillaSushi/Wikipedia

Vor einigen Wochen ging ich in ein Warenhaus. Thermoskannen waren im Sonderangebot. Da habe ich nicht lange nachgedacht und für die Kirchengemeinde spontan fünf Stück ausgesucht. Ich brachte die Kannen zur Kasse und wollte zahlen. „Möchten Sie eine Tüte?“ fragt mich die Kassiererin.

„Na klar“, sag ich belustigt, „ soll ich sie mir etwa in die Hosentasche stecken?“. „Die Tüte kostet 20 Cents“, sagt die Kassiererin. „Nehmen Sie zwei Tüten?“.
Ungläubig frage ich zurück: „Ich soll für die Tüten bezahlen?“ Sie stammelt etwas von Umwelt und Vorschrift und Europa… und ich sage: „ Dann kann ich die Kannen wohl nicht bei Ihnen kaufen.“ Ich lasse verärgert die Kannen an der Kasse stehen und finde bald darauf die gleichen Kannen genauso günstig im Internet. Sie werden mir ohne Aufpreis in einer überdimensionierten Verpackung voller Styropor und Plastik frei Haus geliefert. Verstehe das, wer wolle!
Nachdem schon vor Jahren die Plastiktüte in Lebensmittelläden kostenpflichtig wurde, hat sich – wie ich inzwischen weiß – der Handelsverband Deutschland mit seinen 240 angeschlossenen Firmen selbst verpflichtet, ab Juli 2016 Plastiktüten nur noch gegen eine Gebühr abzugeben.
Plastiktüten sind anerkanntermaßen schädlich, wenn sie in der Natur herumliegen und erst recht, wenn sie milliardenfach in den Weltmeeren herumschwimmen. Deutsche Plastiktüten landen allerdings schon seit Jahren nicht mehr in der Natur, sondern im gelben Sack. Sie werden entweder recycelt oder verbrannt. Wie wären wir sonst die Weltmeister der Mülltrennung?
Es würde mir auch einleuchten, wenn mir das Warenhaus anstelle der Plastiktüte eine kostenlose Papiertüte aus umweltfreundlichem Recyclingpapier anbieten würde. Solche Tüten, wie es sie seit eh und je in jedem Supermarkt der USA gibt, werden auch hierzulande immer beliebter.
Tragetaschen, ob aus Plastik oder Papier sind ein Service, der im Preis der Ware schon längst einkalkuliert wurde und außerdem ein Werbemittel, das der Händler von der Steuer absetzen konnte. Warum sollten Kunden für diese steuerbegünstigte Werbung zusätzlich bezahlen? Das ist wohl auch dem einen oder anderen Händler inzwischen aufgefallen, denn gestern erklärte man mir in der Filiale eines großen Einzelhandelsunternehmens, die Plastiktütengebühr werde „für einen guten Zweck“ erhoben.
Da hat man im Zeitalter des Online-Handels etwas nicht richtig zu Ende gedacht. 20 Cents für einen Plastikbeutel – das kommt mir nicht in die Tüte!

Paul Oppenheim, Hannover, 14. September 2016

Mitteilung vom 19. September:

Sehr geehrter Herr Oppenheim, soll ich lachen oder weinen? Plastiktüten müssen nicht nur entsorgt sondern auch hergestellt werden - woraus? Wieviel Energie wird dafür verbraucht?
Und auch die Papiertüten sind alles andere als umweltfreundlich, denn sie werden aus Kraftpapier mit velen chemischen Zusätzen hergestellt und müssten eigentlich als Sondermüll entsorgt werden.
Ich empfehle Ihnen ein Netz oder einen Korb aus fairem Handel; das macht unabhängig und ist immer wieder verwendbar.
Die Online-Version des Einkaufs ist zwar bequem aber ... (führt in ein anderes Thema).

Mit freundlichen Grüßen
Gertrud Daube