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Lehren aus der Geschichte
Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim
Der dahinterliegende Gedanke ist, dass sich Geschichte wiederholt, wie es schon in der Bibel heißt: „Was einmal geschah, wird wieder geschehen, und was einmal getan wurde, wieder getan, und nichts ist wirklich neu unter der Sonne.“ (Koh 1,9)
Dass man mit Bomben Diktaturen stürzen und Demokratien herbeiführen kann, halten viele für eine Lehre aus der Geschichte. Angeblich habe sich das in Deutschland und auch in Japan bewahrheitet. Erfolglos warf man Bomben auf Nordkorea, Vietnam, Afghanistan, Irak und Libyen. Nirgends sind Demokratien entstanden, aber in bestimmten Kreisen glaubt man weiter daran.
Falsche Lehren aus der Geschichte halten sich hartnäckig.
Auch das Parteiverbot im deutschen Grundgesetz ist ein Versuch, aus der Geschichte zu lernen. Angesichts des neuerlichen Verbotsverfahrens gegen die NPD stellt sich die Frage, ob diese Lehre richtig ist.
In Europa sind es neben Deutschland – und der Türkei (!) – vor allem die osteuropäischen Staaten, die aus kommunistischen Diktaturen hervorgegangen sind, die das Institut des Parteiverbots kennen. Wie das Nachkriegsdeutschland wollen diese Länder aus nachvollziehbaren Gründen verhindern, dass sich bei ihnen die Geschichte wiederholt. Ältere Demokratien kommen ohne ein solches Instrument aus. Sie verlassen sich darauf, dass es andere gesetzliche Möglichkeiten gibt, falls erforderlich, auch eine politische Partei als verfassungsfeindliche, gewaltverherrlichende oder terroristische Organisation zu verbieten.
Nach beinahe siebzig Jahren stabiler Demokratie wirkt der Artikel 21 des Grundgesetzes wie ein Anachronismus. Er lässt den Gesichtspunkt außer Acht, ob die zu verbietende Partei überhaupt eine realistische Chance hat, ihre Ziele zu verwirklichen. Genau danach fragt aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der deshalb ein NPD-Verbot wahrscheinlich nicht bestätigen würde.
Würde ein Verbot der NPD das Anwachsen einer ausländerfeindlichen Stimmung in Deutschland verhindern? Angesichts der Wahlerfolge der rechtspopulistischen AfD darf man das bezweifeln. Würden die zahlreichen Gewalttaten, die aus nationalistischen und rassistischen Beweggründen begangen werden, durch ein NPD-Verbot gestoppt? Auch das ist unwahrscheinlich. Ein Verbot der NPD würde die politische Landschaft im Großen und Ganzen nicht verändern, denn braunes Gedankengut und rechte Hetze sind nicht das Vorrecht einer bestimmten Partei.
Dass sich rassistische, rechtsextreme und nationalistische Parolen in erschreckendem Maße ausbreiten, obwohl es hierzulande keine Wirtschaftskrise und keine Massenarbeitslosigkeit gibt, zeigt, wie schwer es ist, Lehren aus der Geschichte zu ziehen.
Paul Oppenheim, Hannover