Trost? Trost!

Ein Einwurf von Rolf Wischnath


Foto: Rieger

Wie sollen wir überhaupt noch Worte finden? Ein Unglück? Ein widriger Zufall? Ein tragischer Einzelfall? Eine Tat schlimmster Depression? Ein Verbrechen? Ein Selbstmord?

Am Abend des Unglückstages gibt es eine Sondersendung. Sie entsetzt sich über die Opferzahlen, fragt nach der Blackbox, zeigt den weinenden Bundespräsidenten, der versichert, er sei mit seinen Gefühlen bei den Trauernden. Dann wird zuletzt auch ein leitender Notfallseelsorger interviewt. Ich hoffe, spätestens er wird etwas sagen vom „einzigen Trost im Leben und im Sterben“. Aber es bleibt bei der Beteuerung, die Seelsorger würden den Trauernden beistehen und sie im Trauerprozess begleiten.

Dann am Donnerstag die Zuspitzung der Nachrichten: Mit höchster Wahrscheinlichkeit habe der Kopilot den Sinkflug und den Absturz des Flugzeugs bewusst herbeigeführt. Der stv. Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl schreibt zur Katastrophe unter der Überschrift „Kein Trost, nur Trauer“: „Gott dem Herrn, wenn es ihn denn gibt, gefällt das nicht. Es gibt keine solch heilsame Erklärung; es gibt nur Trauer und das Wissen um die Fehlerhaftigkeit von Technik, die Fügungen (!) des Zufalls und die Verletzlichkeit menschlicher Existenz.“

Trostlos? Trostlos! Aber haben wir mehr?

Schneidend stellt sich wieder die alte Frage: Wenn Gott allmächtig ist, könnte er Leid und Wahnsinn nicht verhindern? Wenn Gott gerecht ist, warum lässt er Leid und Verbrechen zu, warum fällt er einem Wahnsinnigen oder einem Gewalttäter nicht in den Arm? Da es aber so viel Leid und Verbrechen in der Welt gibt, ist Gott entweder nicht allmächtig oder nicht gerecht. Wie kann man nach dieser Katastrophe „noch“ an den Gott glauben, der uns seine bewahrende Nähe verspricht? Man „kann“ es gar nicht. Ganz und gar ist der Glaube darauf angewiesen, dass er trotzdem erhalten wird. Denn unser Glaube hat keine umstandslose Antwort parat auf die Frage nach dem Leid und verfehlter menschlicher Verantwortung. Keine „wie aus der Pistole geschossene“ Antwort gibt es. Die Klage bleibt offen. Und doch hält der Glaube sich an den Trost, dass Gott in der Kraft des Gekreuzigten den Opfern gerecht wird und in der Kraft des Auferstandenen die Toten in Ewigkeit bewahrt. Sie sind nicht vernichtet. Sie sind nicht ins Nichts gefallen! Sie sind bei Gott.

Wir dürfen uns darauf verlassen und es bezeugen, dass wir es nicht mit einem sich von uns abwendenden Gott zu tun haben, auch wenn er uns so oft verborgen erscheint. Der Vater Jesu Christi ist nicht der Urheber von Katastrophe und Wahnsinn. Jedoch: Kein Unglück und keine gewalttätige Tat geschieht in seiner Abwesenheit, es muss an ihm vorbei. Gottes Treue trägt uns dennoch über Unglück und Tod und Gewaltverbrechen hinaus und gibt dem Leben trotzdem Sinn und Zukunft.

Mit dieser Erfahrung und in dieser Hoffnung erwarten wir den neuen Himmel und die neue Erde Gottes – und mit ihnen die Wiederbegegnung mit unseren Toten und das jüngste Gericht, das dann auch die Antwort auf die ungelösten Fragen gibt und Sühne ermöglicht. Einstweilen aber sind wir berufen zum Glauben an „den einzigen Trost im Leben und im Sterben“ – den gekreuzigten und auferstandenen Christus - und zum Beistand für die, die jetzt trauern um die, die vorläufig uns vorausgegangen sind.