Die Ausstellung „Rosenstrasse 76“ ist Teil eines Projekts in der Dekade zur Überwindung der Gewalt. Bis zum 16. März ist die Ausstellung in Soest zu sehen, bis Ende des Jahres in Unna, Rheine, Gelsenkirchen, Hagen und Espelkamp. Zur Ausstellung gehört ein umfassendes Begleitprogramm. Verantwortlich ist das Ökumenedezernat im Landeskirchenamt und Amt für Mission, Ökumene und Weltverantwortung (MÖWe) unter Mitarbeit des Diakonischen Werkes, der Frauenhilfe, des Frauenreferates und des Amtes für Jugendarbeit.
Weitere Informationen: www.rosenstrasse76.de und MÖWe, Olpe 35, 44135 Dortmund, Tel.: 0231/5409-73.
Zur Ausstellung: Rosenstrasse 76
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Predigtreihe zum Thema der Überwindung häuslicher Gewalt
Die Würde von Frauen und Männern ist nach Art. 1 des Grundgesetzes unantastbar, Gewalt missachtet und gefährdet die Menschenwürde. Aus Art. 2, Abs. 2 des Grundgesetzes ergibt sich die Pflicht des Staates, das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ zu schützen und andere vor rechtswidrigen Eingriffen zu bewahren. Das gilt auch für Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt im privaten Nahbereich von Familie, Haushalt und Partnerschaft werden. Hier findet der größte Teil physischer und psychischer Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Jungen statt.
Verursacht werden in Deutschland immense Folgekosten, beispielsweise im gesundheitlichen Bereich, aber auch bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen und Unterstützungseinrichtungen. Die Auswirkungen der Gewalt beeinträchtigen die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen nachhaltig.
Von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder benötigen Schutz, Unterstützung und Beratung mit dem Ziel, die Gewaltsituation zu beenden und eine gewaltfreie Lebensperspektive zu entwickeln und umzusetzen.
In NRW bieten 68 Frauenhäuser betroffenen Frauen und deren Kindern Schutz und Unterkunft an. Dazu gehören die Krisenintervention, die Einschätzung der Gefährlichkeit und die Erstellung eines Sicherheitsplanes. Hinzu kommt das Angebot der Frauenhäuser der Beratung und Betreuung von Frauen auch nach dem Frauenhausaufenthalt und von Frauen, die nicht in ein Frauenhaus flüchten wollen. Als ein deutlicher Schwerpunkt der Frauenhausarbeit hat sich in den letzten Jahren die Arbeit mit betroffenen Mädchen und Jungen herausgebildet.
Seit dem 01.01.2002 ist das neue Gewaltschutzgesetz in Kraft. Die neue Gesetzgebung zielt vor allem auf die Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes. Vereinfacht wurden die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung sowie die Verordnung zivilrechtlicher Schutzanordnungen, wie z. B. ein Kontakt-, Belästigungs- und Näherungsverbot, bei häuslicher Gewalt. Ein Teil der betroffenen Frauen flüchtet auch nach Wegweisung des Gewalttäters in ein Frauenhaus, weil sie sich nicht am Ort der Misshandlungen aufhalten wollen oder können.
Die Loslösung aus einer Misshandlungsbeziehung bedeutet mehr, als die Bereitstellung von sicherem Wohnraum. Ergänzend zur Arbeit der Frauenhäuser sind weitergehende Beratungs- und Hilfsangebote für die Entwicklung und Umsetzung einer gewaltfreien Lebensperspektive notwendig.
Die Arbeit gegen Gewalt im Nahbereich von Partnerschaft und Familie benötigt den Einsatz und die Anstrengung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen. Opferschutz, Täterverfolgung und Prävention sind dabei wichtige Ansatzpunkte. Um häusliche Gewalt effektiv bekämpfen zu können, sollen Institutionen und Einrichtungen, die mit dem Problem konfrontiert sind, sensibilisiert und qualifiziert werden, um dem Problem adäquat begegnen zu können.
Auch die Ursachen häuslicher Gewalt, Suchtverhalten, Arbeitslosigkeit, soziale Verwerfungen und erzieherische Überforderung sollen und müssen in den Blick genommen werden. In der Arbeit an der Dekade soll auch deutlich werden, welchen spezifischen und wichtigen Beitrag evangelische Kirche und Diakonie zur Überwindung der Gewalt im Nahbereich von Ehe und Partnerschaft, in der Familie und zwischen den Generationen leisten können.
Gewalt in der Familie ist in Deutschland eine der stärksten Bedrohungen menschlicher Würde.
Die Rosenstrasse 76 ist eine ganz normale Dreizimmerwohnung – und dabei eine einzigartige Ausstellung! Sie steht exemplarisch für Räume, in denen die Gewalt zu Hause ist. Dies ist einer der brutalen Orte, an dem Menschen psychisch und sexuell erniedrigt, geschlagen, vergewaltigt und manchmal auch getötet werden.
Was hinter den Türen der Rosenstrasse 76 verborgen geschieht, könnte überall passieren: In Deutschland oder anderen Nationen, in engen Großstadtwohnungen oder vornehmen Villen, in von Arbeitslosigkeit betroffenen Familien oder bei den oberen Zehntausend – sogar in unserem unmittelbaren Umfeld.
Die Ausstellung zeigt Besuchern häusliche Gewalt dort, wo sie stattfindet – in den vier Wänden. Wer die vollständig eingerichtete Wohnung wie ein Entdeckungsreisender durchstreift, beispielsweise den Anrufbeantworter abhört oder im Bücherregal stöbert, kann im wahrsten Sinne des Wortes hinter der Fassade des Alltäglichen das Grauen der Gewalt entdecken. Informationen an alltäglichen Gegen-ständen reden über Zahlen, Fakten und Schicksale, wenn diese mit offenen Augen betrachtet werden.
Die Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) unterstützt Wege aus der Gewalt: Seit vielen Jahren initiiert und begleitet sie Projekte, Initiativen und Einrichtungen, die sich der Prävention und Deeskalation von Gewalt und der Hilfe für die Opfer häuslicher Gewalt widmen. In einem gemeinsamen Beitrag zu der vom Weltkirchenrat für die Jahre 2001 bis 2010 ausgerufenen Dekade „Gewalt überwinden” bündelt sie nun diese Erfahrungen – mit dem Ziel, nachhaltige Lösungsstrategien zu erarbeiten und schließlich eine wirkungsvolle Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit auf die Beine zu stellen.
Somit ist die Ausstellung Rosenstrasse 76 in eine Vielzahl von Aktivitäten eingebettet, die Menschen für das Thema sensibilisieren, um eine breite Öffentlichkeit für die Thematisierung und Überwindung häuslicher Gewalt zu gewinnen.
Schon der Haussegen im Eingangsbereich zeigt: Häusliche Gewalt ist oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen! Es handelt sich vielmehr um eine komplexes Misshandlungssystem innerhalb dessen vielschichtige Handlungs- und Verhaltensweisen darauf abzielen, Macht und Kontrolle über eine andere Person, ihr Handeln und Denken zu gewinnen. Körperliche und sexuelle Gewalt, Mord oder Totschlag sind nur ein Teil des Geschehens.
In der Rosenstrasse 76 werden die vielfältigen Aspekte Häuslicher Gewalt beleuchtet – rund 35 Informationsschilder an einzelnen Gegenständen zeigen Ursachen, Formen und Auswirkungen aber auch harte Zahlen und Fakten wie beispielsweise Kostenaufstellungen und Statistiken. Beim Eintritt in die Ausstellung werden die Besucher aufgefordert, hinter die schöne Fassade zu schauen: Sie sollen Türen öffnen, Schränke inspizieren oder technische Geräte benutzen.
Im Wohnzimmer offenbart der Anrufbeantworter Ausschnitte aus der Geschichte einer Familie: die Ängste der Tochter, die Demütigung durch den Partner oder die Wut der Nachbarin. Hier können sich Besucher/innen an den langen Esstisch setzen oder gemütlich auf der Couch lesen oder fernsehen. Die Krankschreibung auf dem Tisch gibt Einblick in die Auswirkungen häuslicher Gewalt, das Sparbuch im Wohnzimmerschrank listet die Kosten dieser weltweiten Katastrophe auf.
Die Küche mit Esstisch und Küchenzeile enthüllt zum Beispiel, wie stark Alkoholkonsum als verstärkender Faktor zu Häuslicher Gewalt beiträgt; die Information findet sich an einer Bierflasche. Eine achtlos herumliegende Valiumschachtel vermittelt das Thema psychische Gewalt und ihre Folgen. Exotische Urlaubsbilder an der Wand informieren über den Zusammenhang von Migration und häuslicher Gewalt. Und darüber, dass Gewalteskalation nicht selten tödlich endet, spricht ein Informationsschild an einem Messer.
Im Kinderzimmer lassen die Poster an der Wand erkennen, dass hier ein Teenager mit seinem kleinen Geschwisterchen lebt. Mit welchen Spielen er sich die Zeit vertreibt, können Besucher selbst ausprobieren. Das kleinere Kind hat sich eine Höhle aus Bettdecken gebaut. Seine Spielsachen liegen verstreut auf dem Boden. Auch hier sind die Gegenstände mit Informationen gespickt: Sie verdeutlichen, welche Auswirkungen häusliche Gewalt auf Kinder hat und wie diese wieder Träger einer Gewaltkultur werden können. Aber auch, wie sie das Potential zur Überwindung von Strukturen der Gewalt bereits in sich tragen.
Das Schlafzimmer der Ausstellung stellt die geschlechtsspezifischen Aspekte häuslicher Gewalt in den Vordergrund. Hier erfahren die Besucher aber auch, wie Vergewaltigungen oder Suizidversuche das Leben vieler Menschen zerstören.
Und die nüchternen Zahlen und Fakten bekommen eine Stimme: Auf einem CD-Player sind mittels Endlosband etwa 60 Zitate von Männern und Frauen zu hören, die von häuslicher Gewalt betroffen waren oder sind. An diesem privaten Ort erzählen sie ihre Geschichte, jede einzelne ein wichtiges Dokument gegen das Schweigen.
Der Weg zum Forum schließlich greift die hörbaren Zitate noch einmal auf. An langen Schnüren hängen sie wie ein Vorhang an einer Tür, durch den die Besucher hindurchgehen müssen, um die Wohnung zu verlassen. So berühren diese persönlichen Geschichten jeden einzelnen Gast unmittelbar. Tritt er durch sie hindurch, lässt er sie an sich heran und leistet so den ersten wichtigen Schritt, sich Wegen aus der Problematik zu öffnen.
Das Forum selbst ist ein Ort der Sammlung aber auch Ermutigung. So entlässt die Rosenstrasse 76 die Besucher nicht in tiefer Depression und Niedergeschlagenheit.
Durch Informationsgespräche, Flyer, Plakate und eine Powerpoint-Präsentation erfahren die Besucher/innen, welche erfolgreichen Strategien es gegen häusliche Gewalt gibt und wie sie selber zu einer Verbesserung der Problematik beitragen können.
Quelle: www.rosenstrasse76.de
Weitere Hinweise auf Veranstaltungen, dem Begleitprogramm, Ausstellungsorten, Literatur etc.