Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes

Von Jürgen Ebach


Eine Rezension von Barbara Schenck

Eine Theologie des Alten Testaments entlang der liturgischen Elemente des evangelischen Gottesdienstes – das ist so genial wie naheliegend. Als in vergangenen Jahrhunderten eine Auswahl von hebräischen und griechischen Schriften zum biblischen Kanon zusammengestellt wurde, entschied die Kirche, welche Schrift zur Bibel gehören sollte und welche nicht.  Diese kirchliche Vorgehensweise konsequent weitergedacht muss auch die gegenwärtige Kirche zu einem „Interpretationskontext“ (Rainer Albertz) einer kanonischen Theologie des Alten Testaments werden. In diesem Sinne fragt Jürgen Ebach: Wo also und wie wird das Wirken der Kirche, der Christ*innen, sprich insbesondere der sonntägliche Gottesdienst, zu einem „Klangraum des Alten Testaments im heute gelebten Christentum“?

Da gibt es viel zu entdecken, zu beschreiben, zu erzählen, zu reflektieren vom Wohnen Gottes, seinem Namen und Erbarmen bis hin zum Segnen entlang der liturgischen Fachworte von Glockenläuten über das Amen zu Sündenbekenntnis und Gnadenzuspruch weiter über Kanzelgruß u.v.m. zum Segen. Beim Lesen der alttestamentlich-liturgischen Reflexionen müssen Fans des Alten Testaments dann einfach zu Liturgieliebhaber*innen und Liturgiker zu Freund*innen des ersten Teils der Bibel werden, falls dies nicht schon längst geschehen ist, stammen doch die allermeisten im Gottesdienst von der Gemeinde gesprochenen Texte aus der Hebräischen Bibel.

Angesichts der Fülle an Entdeckungen wird ein wichtiges Anliegen Ebachs fast zur Nebensache. Genannt sei es trotzdem: Ebach will die Behauptung von Notger Slenczka widerlegen, das Alte Testament sei im frommen Bewusstsein von Christinnen und Christen weniger wert als das Neue Testament. Ein Blick auf den Gottesdienst als Praxis christlicher Frömmigkeit zeigt klar: Das Alte Testament ist nicht nur Wahrheitsraum für das Neue Testament (Frank Crüsemann), sondern auch für den evangelischen Gottesdienst. Dies zu erkennen und anderen Gemeindegliedern bewusst zu machen, wäre schon Grund genug, das Buch zu kaufen, aber als Bonus gibt es dann noch die vielen kleinen schmückenden Krönchen in Ebachs Texten. Zwei seien hier als Beispiel genannt:

  • In seiner Kritik zur Verkürzung von Psalmen als Texte der Liturgie erinnert Ebach an einen Eingriff der DDR-Zensur: der Satz aus Psalm 18,30 „… und mit meinem Gott [kann ich] über Mauern springen“ in einem Losungsbuch war Grund genug, sein Erscheinen zu verbieten.
  • Der Abschnitt zum Bösen und seiner Herkunft in der Auslegung Ebachs zur sechsten Bitte des Unservaters ist als Auslegung so homiletisch formuliert, dass es nur noch ein wenig persönlichen Feinschliff braucht, um den Text als Sonntagspredigt von der Kanzel erklingen zu lassen.

Zum Schluss sei nicht verschwiegen: „Der neue Ebach“ ist auch eine besondere Würdigung der reformierten Tradition. Der nach dem ersten „Amen“ in der Kirche gesprochene Vers aus Psalm 124, lautet in Ebachs Verdeutschung: „Unsere Hilfe besteht im Namen Adonaj, schaffend Himmel und Erde.“ Die im hebräischen Palmvers ausgedrückte Vorstellung, dass Gott Himmel und Erde gemacht hat, sie immer wieder neu macht und sie immer wieder neu machen wird, also, systematisch-theologisch gesprochen, Schöpfung und Erhaltung zusammen erklingen, komme in der reformierten Tradition viel stärker zum Ausdruck, so Ebach. Im reformierten Gottesdienst schließt an Psalm 124,8 das Bekenntnis aus Dtn 7,9 an, das Bekenntnis zu Gottes Bund und Treue: „der Bund und Treue hält ewiglich und nicht preisgibt das Werk seiner Hände. AMEN“.

Jürgen Ebach

Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes

Gütersloher Verlagshaus 2016

€ 29,99 [D]
€ 30,90 [A] | CHF 39,90*
(* empf. VK-Preis)
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-579-08242-4