Verabschiede die Nacht!

Wort und Musik aus St. Martha - Andacht von Dieter Krabbe


In regelmäßigen Abständen gibt es hier in den Zeiten des Coronavirus-Ausnahmezustands einen Gruß aus der St. Martha Kirche.

Andacht: Pfarrer Dieter Krabbe
Orgelaufnahme: Andy Tirakitti
Gospelsong: Antonia Dietz

Die Andacht zum Anhören  <<< hier anklicken und los geht's

Die Andacht zum Nachlesen:

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

So verspricht es Jesus - und darauf wollen wir vertrauen in dieser schwierigen Zeit.

Auch wenn St. Martha geschlossen ist, wird rund um die Erde gebetet und gesungen, geklagt und gedankt - hört Gott zu, wo immer wir auch sind, ob wir traurig sind und voller Sorgen, oder dankbar für die kleinsten Freundlichkeiten, die wir bislang leicht übersehen haben.

So lassen Sie uns als kleine und weit verstreut lebende Gemeinde St. Martha zusammenhalten und die neuen Wege nutzen, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Wenn möglich, zünden Sie eine Kerze an und suchen sich eine ruhige Ecke. Und ich wünsche Ihnen, dass wir auch aus dem gebotenen Abstand heraus gemeinsam dem Trübsinn etwas entgegensetzen und die Hoffnung nicht verlieren, dass alles gut werden kann und wird.

Ich habe Ihnen ein Gedicht mitgebracht, das ein Freund von mir geschrieben hat: Markus Bruners, er lebte und arbeitete viele Jahre als Benediktiner in Jerusalem und am See Genezareth - über die Psalmen Israels, das Gebetbuch der Bibel, hat er oft nachgedacht. Hier seine Gedanken unter dem Titel: „Verabschiede die Nacht“:

„Verabschiede die Nacht
mit dem Sonnenhymnus auch bei Nebel.
Hol dir die ersten Informationen

aus den Liedern Davids.
Dann höre die Nachrichten und lies die Zeitung.
Beachte die Reihenfolge,
wenn du die Kraft behalten willst,
die Verhältnisse zu ändern.“

Ein guter Rat. Du kannst den Tag beginnen mit einem Wort, das schon viele Menschen durch all die Jahrhunderte angesprochen und geleitet hat. Kraft und Geduld kannst du behalten, wenn dich du in diesen besonderen Tagen nicht gleich mit dem beschäftigst, was dich bedrängt und bedrückt, mit all den traurigen Nachrichten.

Beginne deinen Tag mit Davids Liedern: Nichts Menschliches ist ihnen fremd. Es sind Gebete, wie für uns geschrieben, jetzt in der Corona-Krise. Gebete der Zuversicht, mit denen wir dem Trübsinn etwas entgegensetzen. Klage und Dank dicht nebeneinander. Inständiges Bitten und Flehen. Protest gegen die Gewalt der Herrschenden, gegen das Unrecht der Unterdrücker. All dies und noch viel mehr, die alten und immer wieder so jungen Psalmen, uns reformierten Christen liegen sie besonders am Herzen. Nelly Sachs nennt die Psalmen „Nachtherbergen für die Wegwunden.“

Nicht vom Bildschirm hol dir die ersten Informationen. Das, was wesentlich ist, verraten dir nicht die Medien. Warum die Psalmen? Bete ich sie, allein oder mit anderen, so stelle ich mich als Erstes neben die Mütter und Väter, die sie vor mir verzweifelnd und hoffend gesprochen haben. Dann relativiert sich Manches, verliert seine bedrohlichen Schrecken. Ich nehme mich selbst nicht so tierisch ernst, so wichtig. Schaffe Raum in meinem Herzen für Gott und die Nöte anderer. Lasse Gott zu Wort kommen durch die alten Lieder Davids.

Und selbst, wenn du gottmüde bist, nichts mehr von ihm erwartest, keine „Nachtherbergen für die Wegwunden“ findest - die Psalmen erinnern dich daran, dass du mit anderen unterwegs bist, noch nicht am Ziel.

„Verlasst euch nicht auf Wunder“, sagen die jüdischen Weisen, „verlasst euch nicht auf Wunder, sondern sprecht Psalmen.“ Dann können euch die Augen aufgehen für Gotteskleine und große Wunder. Dann stöhnt ihr nicht so leicht, weil euer Herz und euer Blick geweitet werden. Dann öffnen sich eure Hände. Und wäre das nicht ein Wunder?

„Die Psalmen sind für mich wie ein Bett“, sagte einer meiner Lehrer. „Ein Bett, in das wir uns mit all unserem Kummer, mit unseren Ängsten und Sorgen, mit den geweinten und den vielen ungeweinten Tränen legen dürfen.“

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir dieses Bett schätzen lernen. Uns darin erholen - um Kraft zu gewinnen, um gestärkt und getrost aufzustehen und den Tag gut zu bestehen.

„Verabschiede die Nacht mit dem Sonnenhymnus“ - dann werden sich die Nebel des Trübsinns verziehen und du kannst vielleicht sogar ein wenig lächeln, weil dich Gottes Licht berührt hat. In diesem Licht wirst du deinen Weg gehen können.

Lassen Sie uns beten:

Du barmherziger und treuer Gott:

Wie unzählige andere Menschen suchen wir Zuflucht bei dir. Legen wir dir ans Herz, was uns bewegt. Das Schöne und das Schwere. Wir denken an alle, die wir lieben. Was sie wohl gerade tun? Sitzen auch bei ihnen die Tränen locker. Wie gehen sie um mit der furchtbaren Ungewissheit, was noch alles kommen könnte.

Wir denken an alle, die in diesen Tagen noch einsamer sind als sonst. Nimm dich ihrer an. Und gib uns Phantasie und Kraft, mit ihnen in Verbindung zu sein.

Wir denken an die Kranken, an alle, die fürchten, sich angesteckt zu haben.

Wir denken an die Krankenschwestern und Pfleger, an die Ärzte und alle, die sich aufreiben für andere, die helfen und trösten, die harte Abschiede zu ertragen haben

Wir denke an alle, die der Realität nicht ins Auge sehen können, die nach dem Motto leben: Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Rüttele sie auf und gib, dass wir alle jetzt füreinander einstehen und uns und andere schützen. Wehre dem Trübsinn und der Verzweiflung. Dass wir dir gehören, sei unser einziger Trost im Lebe und im Sterben.

Du unser Gott, erweise dich als Vater und Mutter in allem, was kommt. Wir sind doch deine Menschenkinder, für die du immer und überall aufkommst.

Im Namen deines Sohnes, der für uns gestorben ist und uns in das neue Leben vorangegangen ist, rufen wir dich an:

Unser Vater im Himmel:
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Denn Gott ist bei uns, am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Ich möchte Ihnen ein Segenswort mitgeben:

Gottes liebende Nähe
fange dich auf,
wo du den Boden unter deinen Füßen verlierst.
Sein Trostwort
Möge dich finden,
wo immer du bist,
gerade wenn es dunkel um dich und in dir wird.
Er richte dich auf,
wo Lasten dich zu Boden drücken.
Er gebe dir Halt und Orientierung,
wenn es fraglich wird und unsicher.
Gott sende seine Engel aus,
dass sie dich begleiten auf allen deinen Wegen.

So segne und behüte dich der Eine Gott:
Der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Amen.

Nicht alles ist in diesen Tagen abgesagt. Frühling ist nicht abgesagt. Liebe ist nicht abgesagt. Und Lachen ist auch nicht abgesagt. Deshalb erzähle ich Ihnen noch drei kurze Witze - zum guten Schluss:

Treffen sich zwei Tiere im Wald. Sagt das eine: „Hallo, ich bin ein Wolfshund. Meine Mutter war eine Wölfin und mein Vater war ein Hund. Und was bist du?“ - „Ich bin ein Ameisenbär!“  - „Nee, das glaube ich dir nicht!“

Eine kleine Schnecke kriecht im März einen Kirschbaum hoch. Kommt ein Igel vorbei und meint: „Du weißt schon, dass da oben keine Kirschen hängen?“ - „Ja“, meint die Schnecke. Bis ich oben sind, sind längst welche dran.“

Zu Beginn des Gottesdienstes tritt der Pfarrer ans Mikrofon und sagt: „Irgendetwas stimmt mit dem Mikro nicht.“ Und darauf die Gemeinde: „Und mit deinem Geiste.“

Gott befohlen und „Adieu“! Auf Wiederhören, Ihr Pfarrer Dieter Krabbe


KG Nürnberg