Buchtipp: Die Große Unmöglichkeit. Karl Barths Abweisung der Judenmission

Dissertation von Stefanie Sippel - betreut durch Prof. Georg Plasger und Prof. Michael Weinrich

Die Rat der EKD erklärte im Jahr 2016 per Synodenbeschluss den Verzicht auf die Missionierung von Juden, die als Dialogpartner gelten. Nichtsdestotrotz mangelt es innerhalb der Kirche an der theologischen Reflexion über die andauernde Zusammengehörigkeit von Juden und Christen.

Das umfasst auch die Konsequenzen, die daraus entstehen im Hinblick auf das Predigen, aber auch in der Frage nach der potentiellen Kirchenmitgliedschaft, nach der Notwendigkeit der Taufe und der Zulassung zum Abendmahl. Schließlich wird auch die christliche Positionierung zum gesellschaftlichen Antisemitismus mitbestimmen, inwiefern die mit dem Missionsverzicht erklärte Nähe zum Judenmission in der Praxis nachvollzogen wird. Die kürzlich erschienene Dissertationsschrift geht diesen Überlegungen nach, indem sie Karl Barths Werk nach dessen Beweggründen für die Abweisung der Judenmission befragt. Barths Überzeugung war es, dass Juden zwar durchaus Jesus Christus als Gottessohn anerkennen sollen. Er hielt es jedoch für undenkbar, ihnen, denen Gott sich vollständig offenbart hat, etwas Neues von Gottes Gnade mitteilen zu können.

In der Offenbarungslehre erklärt Barth, dass Gott sich nur als der dreieinige zu erkennen geben kann. Folglich seien Altes wie Neues Testament Zeugnisse des dreieinigen Gottes. Anstelle von zwei Wegen der Erlösung – dem jüdischen über die Erwählung und dem christlichen über die Rechtfertigung – gibt es den einen Weg des Gottes Israels zum Menschen über Jesus Christus. Dem jüdischen wie dem christlichen Zeugnis haftet etwas Menschlich-Defizitäres an. Während die einen nicht an die Erwählung Jesu Christi glauben, rebellieren die anderen gegen die jüdische Erwählung zum Gottesvolk, d. h. sie sind unbewusst oder bewusst antisemitisch.

Mit der Notwendigkeit des gegenseitigen Zeugnisses und insofern des jüdischen Zeugnisses gegenüber der Kirche wird der Bezug zum Judentum unabdingbar. Weil die Gemeinde gesehen wird als heterogene Gemeinde Gottes aus Juden, die Jesus Christus nicht als Gottessohn betrachten und aus Christen, die mit dem Bekenntnis zu seiner Auferstehung in den Bund aufgenommen werden, wird das Judentum bei Barth zum wichtigsten Partner in der Ökumene. Diese Verhältnisbestimmung schafft eine gegenseitige Angewiesenheit auf Augenhöhe. Damit bietet sich der Kirche eine Argumentation, mit der sie die Missionierung von Menschen jüdischen Glaubens endgültig aufgeben kann und durch die die Notwendigkeit zur aktiven Solidarität mit Juden in der Bekämpfung des Antisemitismus unterstrichen wird.

Kurzvita
Stefanie Sippel, geboren 1978 in Bad Harzburg, Theologin und Nordamerikanistin, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Pankow in Berlin.

Die große Unmöglichkeit
Karl Barths Abweisung der Judenmission
Forschungen zur Reformierten Theologie - Band 0010 Vandenhoeck & Ruprecht 2020


Stefanie Sippel

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